Was Sie schon immer über die ELO-Liste wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten.

von Dr. Rainer Pischner

(BSG UBA, langjähriger ELO-Sachbearbeiter der FV Schach e.V.)

 

Schächer: Hör mal, Du bist doch so'n ELO-Freak. Ich hab’da grade die neue ELO-Liste. Ist mir ja echt peinlich, aber was ist eigentlich ne' ELO-Zahl?

ELO-Freak: Ich glaube, anderen Schächern geht es ähnlich. Also, eine ELO-Zahl ist eine Meßziffer, die die Spielstärke eines Schachspielers beschreibt. Je höher die ELO-Zahl ist, desto stärker wird der Spieler eingeschätzt.

Schächer: Welche Werte kann eigentlich eine ELO-Zahl annehmen?

ELO-Freak: Theoretisch jeden, aber praktisch beträgt die Spanne zwischen 800 (vielleicht noch etwas weniger) für einen sehr schwachen Spieler und 2800 Punkten (vielleicht irgendwann noch etwas drüber). Garry Kasparow, gegenwärtig stärkster Spieler der Welt, weist diese hohe Zahl auf.

Schächer: Ich verstehe, da ich 1800 ELO-Punkte habe und mein Freund 1600, müßte ich besser sein als er. Aber, um wieviel besser? Was sagt mein ELO-Vorsprung aus? Müßte ich gegen meinen Freund immer gewinnen?

ELO-Freak: Selbst der ELO-stärkste Spieler gewinnt natürlich nie mit absoluter Sicherheit gegen den ELO-schwächsten. Die Wahrscheinlichkeit ist zwar nahezu 100%, aber eben nicht genau. Du hast 200 ELO-Punkte mehr als Dein Freund, d.h. in der ELO-Terminologie, daß du genau eine Klasse besser bist als er. Eine Klasse besser heißt aber, daß Du gegen Deinen Freund im Durchschnitt 75% aller Punkte gewinnst. Anders ausgedrückt: Wenn Ihr 40 Partien spielt, müßtest Du um die 30 Punkte machen, um den Klassenunterschied zu bestätigen.

Schächer: D.h. also andererseits, daß ich bin um 5 Klassen schlechter als Kasparow bin. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, daß ich gegen Kasparow gewinne?

ELO-Freak: Da ihr exakt 5 Klassen auseinander seid, ist die Frage recht einfach zu beantworten. Gegen einen um eine Klasse besseren Spieler gewinnst mit 25% Wahrscheinlichkeit ( 100*(0,25) hoch l = 25). Gegen Kasparow mit ungefähr =0,1% Wahrscheinlichkeit (100*(0,25) hoch 5 = 0,1). D.h. von 1000 Partien müßtest Du - theoretisch! - eine gewinnen, bzw. von 500 Partien eine Remis machen, weil auch Kasparow ein Mensch ist und auch nicht immer fehlerfrei spielt.

Schächer: Das habe ich verstanden ,aber wie sieht es aus, wenn ich z.B. nur 40 ELO-Punkte mehr habe als mein Gegner. Wie groß ist dann meine Chance zu gewinnen ?

ELO-Freak: So wie Du die Frage gestellt hast, ist sie nicht so einfach zu beantworten, da es beim Schach nicht nur Gewinn und Verlust, sondern auch Remis gibt. Unterstellen wir einmal, es gäbe kein Remis, dann wäre Deine Siegeswahrscheinlichkeit ungefähr 55%. Es gibt da eine sehr einfache Näherungsformel, die Du leicht mit dem Taschenrechner oder auch im Kopf ausrechnen kannst. Du dividierst Eure ELO-Differenz durch 8 und addierst 50 dazu, dann erhältst Du die Sieges-Wahrscheinlichkeit bzw. den sogenannten Erwartungswert an Punkten. Bei 40 ELO-Punkten Vorsprung, die Du eben nanntest, wäre das also eine Wahrscheinlichkeit von (50 + 40/8)% = 55%. Aber vergiß nicht, je größer die ELO-Differenz zwischen zwei Spielern ist, desto ungenauer ist das Ergebnis. Du kannst die Formel maximal bis zu einer Differenz von 400 anwenden. Die errechneten 55% bezogen sich auf den Fall, daß kein Remis vorkommt, das ist nicht realistisch. Läßt Du also auch Remis zu, gibt es unendlich viele Antworten auf Deine Frage, je nachdem wie hoch Deine Remisquote ist. In dem genannten Fall kann Deine Gewinnwahrscheinlichkeit somit auch nur 40% betragen, wenn Deine rechnerische eine Remiswahrscheinlichkeit 30% wäre. Denn 40%*Gewinn + 30%*Remis ergibt ein 55% Ergebnis, da ja ein Gewinn einen vollen Punkt, Remis einen halben zählt.

Schächer: Oh je, den Gegner, von dem ich sprach, muß ich unbedingt schlagen, und der spielt Betonschach und fast immer Remis. Da sind meine Siegeschancen vielleicht nur 10% , bei einer Remisquote von 90%

ELO-Freak: Du hast richtig gerechnet, aber vielleicht ist es nicht ganz so schlimm. Weißt Du übrigens, daß diese Rechenmethode, die ich Dir vorgeführt habe, auch zur Schätzung von Mannschaftsergebnissen herangezogen werden kann, auch wenn man die gegnerische Mannschaftsaufstellung nicht kennt? 

Schächer: Das ist ja interessant! Wie denn?

ELO-Freak: Weil wir vorausgesetzt haben, daß die Spielstärken der einzelnen Spieler nicht weiter als 400 Punkte auseinanderklaffen, konnte ich lineare Näherungsformeln verwenden. Diese haben die schöne Eigenschaft, daß man Sie ohne weiteres addieren kann. Ich gebe Dir ein einfaches Beispiel: Zwei Spieler je Mannschaft A und B:

ELO(Al) = 1984 , ELO(A2)=1744

ELO(Bl) = 1808 , ELO(B2)=1648

Mannschaft A ist offensichtlich stärker als Mannschaft B. Spielt nun AI gegen Bl und A2 gegen B2 ergeben sich aus der Sicht von Mannschaft A an den beiden Brettern folgende Erwartungswerte:

AI gegen Bl ==> 50 + (1984-1744)/8 = 80 ==> 80% ==> 0,80 Punkte

A2 gegen B2 ==> 50 + (1808-1648)/8 = 70 ==> 70% ==> 0,70 Punkte

:.............................................................................................1,50 Punkte

Nach dieser Rechnung ist etwa zu erwarten, daß der Kampf 1,5 zu 0,5 für Mannschaft A ausgehen wird, ein Sieg für B erscheint unwahrscheinlich. Deshalb überlegt der Mannschaftsführer von B, ob er nicht "taktisch" aufstellen soll, um die Siegchancen am zweiten Brett zu erhöhen. Also

AI gegen B2 ==> 50 + (1984-1648)/8 = 92 ==> 92% ==> 0,92 Punkte

A2 gegen Bl ==> 50 + (1808-1744)/8 = 58 ==> 58% ==> 0,58 Punkte

:.............................................................................................1,50 Punkte

Wie man sieht, hat der Mannschaftsführer von B die Chancen am zweiten Brett genau um die Punkte verbessert, um die er sich am ersten verschlechtert hat. Insgesamt gewinnt er nichts, ja er verliert sogar etwas, denn wenn er wie erhofft am 2. Brett gewinnt und am ersten verliert, das Ergebnis also 1,0 zu 1,0 ausfällt, würde er insgesamt (zumindest im Pokal) wegen schlechterer Wertberechnung verlieren. Die Siegchancen am Brett l sind ja bei der taktischen Aufstellung auf 8% (Remis ausgeschlossen) gesunken. Fazit: Unter den genannten Voraussetzungen beeinflussen taktische Aufstellungen wohl die Chancen der einzelnen Spieler, nicht aber die der Mannschaft insgesamt.

Schächer: Puh, das war ja ein langer Vortrag. Das muß ich zu Hause noch einmal durchdenken. Wenn ich nun das Mannschaftsergebnis schätzen will, muß ich da die Chancen für jeden Spieler ausrechnen und dann addieren.

ELO-Freak: Das kannst Du sicherlich tun. Aber einfacher ist es, wenn Du die Elozahlen Deiner Spieler addierst, die des Gegners abziehst, diese Differenz durch 800 dividierst, dann die Zahl der gespielten Bretter durch 2 dividierst und beide Zahlen zusammenziehst. Dann hast Du die erwarteten Brettpunkte Deiner Mannschaft.

Schächer: Häh ??

ELO-Freak: Also, das genannte Beispiel:

+ Mannschaft A: (1984+1808 =) 3792

- Mannschaft B:-(1744+1648 =) -3392 = 400

Division durch 800: 400/800 =0,50

Bretter durch 2 : 2/ 2 = 1,00

Erwartetes Ergebnis für A =1,50

Kapiert?

Schächer: Ja, eigentlich ziemlich einfach, aber eigentlich wollte ich wissen, wie die Elozahl berechnet wird.

ELO-Freak: Immer falsch. Aber Spaß beiseite. Grundsätzlich gibt es zwei Verfahren: Das der Fortschreibung einer bekannten Elozahl und das der Berechnung von Turnierergebnissen. In der ELO-Liste, die Du vorliegen hast, sind beide angewendet worden.

Schächer: Kannst Du mir das nicht ein bißchen deutlicher erklären?

ELO-Freak: Gerne. Du sagtest. Du hast eine ELO-Zahl von 1800, Dein Freund eine von 1600. Ihr spielt eine Turnierpartie und Du gewinnst. Dann bekommst Du nach der Fortschreibungsmethode 8 Punkte, Dein Freund verliert 8 Punkte. Durch Fortschreibung steigt Deine ELO-Zahl also auf 1808, die Deines Freundes sinkt auf 1592. Spielst Du nur Remis verlörest Du 8 Punkte, für Deinen eloschwächeren Freund wäre Remis ein Gewinn, er verbuchte selber 8 Punkte. Schließlich, wenn er sogar gewinnt, verlierst Du volle 24 Punkte, die Dein Freund sich gutschreiben kann. Du hättest nur noch 1776. und er könnte auf 1624 Punkte verweisen.

Schächer: Also das was einer gewinnt, verliert der andere. Warum aber bekommt mein Freund mehr Punkte, wenn er gewinnt, als ich?. In der Turniertabelle bekommen wir ja auch gerechterweise dieselben Punkte für Sieg und Remis.

ELO-Freak: Überleg doch mal. Wenn Ihr beide die gleiche Punktzahl bekämt, was dann passiert, wenn ihr eine Vielzahl von Partien spielt. Ich hatte Dir vorhin erklärt, daß Du eine Klasse besser bist als Dein Freund, d.h. Du machst Deine 75%. Wenn Du wie er für jeden Sieg 24 Punkte bekämst, hättest Du nach 100 Partien etwa 75*24=1800 Punkte gewonnen, aber nur 25*24 = 600 Punkte an Deinen Freund verloren. Obwohl sich Eure Spielstärke nicht geändert hat, hättest Du auf einmal 3000 ELO-Punkte (eine Klasse stärker als Kasparow!) und Dein Freund 400 ELO-Punkte (kann kaum die Figuren richtig ziehen). Das kann ja wohl nicht sein.

Schächer: Du hast natürlich Recht. Mir geht jetzt ein Licht auf. 3*8 ist 24. Ich muß dreimal gewinnen um 24 Punkte zu erhalten, kann dann einmal verlieren (-24 Punkte), so habe ich 75% und die ELO-Zahlen haben sich nicht verändert.

ELO-Freak: So, isses. Ich sag Dir jetzt die Näherungsformel, nach der Du Deine ELO-Zahl fortschreiben und gegebenenfalls die Experten überprüfen kannst.

Schächer: Klasse !

ELO-Freak: Wenn Du gewonnen hast, legst Du Dir erst einmal 16 Punkte zur Seite, bei Remis nischt und bei Verlust kannst Du Dir 16 Punkte erst einmal abschminken. Wenn Dein Gegner die gleiche Elozahl hat, bleibt das auch so. Hast Du mehr Punkte gibt es Abschläge, andernfalls Zuschläge. Dabei entsprechen 25 Punkte ELO-Differenz einen Punkt Abschlag bzw. Zuschlag. Du ziehst also Deine Elozahl von der des Gegners ab, teilst die Differenz durch 25 und ermittelst so den Zuschlag. Wenn Du gegen Deinen Freund gewinnst, sieht das also folgendermaßen aus:

1800 (Alte Elozahl) + 16 (Gewinn) +(1600-1800)/25 = 1808 (Neue Elozahl).

Schächer: Ich nehme an, daß gilt wieder nur, wenn die ELO-Zahlen nicht zu weit auseinanderliegen.

ELO-Freak: Klaro Mann, es gilt die schon erwähnte Beschränkung auf eine maximale Differenz von 400 Punkten. Schächer: Was mache ich, wenn ich (1800) gegen einen 2300er gewinne. Die Differenz ist mit 500 jetzt größer als 400, bekomme ich keine Punkte?

ELO-Freak: Natürlich bekommst Du Punkte, nämlich 32, so als wenn Du gegen einen 2200er gewonnen hättest. In der ELO-Liste wird übrigens genau gerechnet, die Formel ist aber ziemlich kompliziert. Da würdest Du in diesem Fall gegen den 2300er ca. 31,5 Punkte, gegen den 2200 31,0 Punkte oder so ähnlich bekommen. Aber diese Abweichungen kannst Du vergessen. Die Unterschiede sind fast nur noch "akademisch". Schächer: Du erwähntest noch eine zweite Methode. Wann wendest Du die an?

ELO-Freak: Die Fortschreibungsmethode wird immer dann angewendet, wenn der Spieler schon eine sichere Elozahl hat, d.h. er sollte mindestens 30 gewertete Partien vorweisen können. Dann kann auch nur eine einzige neugespielte Partie bewertet werden. Die zweite Methode berücksichtigt nicht Deine tatsächliche Elozahl, sondern allein Deine Leistung gegen Deine Gegner. Sie hat nur Sinn, wenn mehrere Partien gespielt worden sind. Auch hier nenne ich Dir nur die Näherungsformel: Du bildest die Summe der Elozahlen Deiner Gegner und dividierst durch die Zahl Deiner Spielpartner ...

Schächer: Du bildest den Durchschnitt der Elozahlen der Gegner. ELO-Freak: Richtig. Dann ziehe ich 400 ab ..

Schächer: Schon wieder diese 400.

ELO-Freak: Genau. Dann zähle ich die Punkte zusammen, die ich erzielt habe. Dividiere durch die Zahl der Partien und multipliziere den Schmonzes mit 800 und - Schwupp - habe ich eine Schätzung für Deine Performance.

Schächer: Häh?

ELO-Freak: ... für meine Leistung. Also: Laß mich nachschauen! Deine 20 Gegner der letzten Saison hatten einen Durchschnitt von 1650 ELO-Punkten. Du brachtest 10 Siege und 6 Remisen zustande. Was meinst Du? Wie war Deine Performance?

Schächer: Weiß ich nicht, sicherlich habe ich mich verbessert, hab ja schließlich 65% gemacht.

ELO-Freak: Wart's ab. 1650 weniger 400 sind 1250. 65% sagtest Du, stimmt! Also 0.65 * 800 =520. Dazu 1250, macht 1770. Sorry, alter Knabe, nach dieser Rechnung war Deine Saison nicht so doll. 

Schächer: Hätt' ich nicht gedacht. Wann wird denn die Performance-Rechnung eingesetzt?

ELO-Freak: Ausgerechnet wird sie für jeden Spieler. Sie ist aber in der offiziellen Liste nicht enthalten. Verwendet wird sie nur bei Spielern, die weniger als 30 Partien haben. Und auch da nur in Verbindung mit der fortgeschriebenen ELO-Zahl. Die beiden unterschiedlichen ELO-Zahlen werden dann in Abhängigkeit von der Zahl der gespielten Partien zusammengewichtet. Is'n bißchen kompliziert. 

Schächer: Wie erkenne ich das in der ELO-Liste?

ELO-Freak: Ganz einfach, die Elozahlen für 1990 sind teilweise mit einem Sternchen, Plus- oder Minuszeichen gekennzeichnet.

Ein "*" heißt einfach, diese Elozahl ist noch nicht sehr sicher, weil weniger als 30 Partien registriert sind. Die ausgewiesene ELO-Zahl weicht bis maximal 49 Punkten (eine viertel Klasse) von der fortgeschriebenen ab.

Ein "+" bedeutet, daß auf Grund der Performance die fortgeschriebene Elozahl zwischen 50 und 99 Punkte hochgesetzt wurde. Bei "++" bedeutet sind es zwischen 100 und 199 Punkte, und bei "+++" sogar mehr als 200 Punkte, um die die Fortschreibungszahl hochgesetzt wurde.

Entsprechend kannst Du Dir denken, was die Minuszeichen bedeuten.

Schächer: Wie kam das, daß da soviele Plus- und Minuszeichen in der ELO-Liste vorkommen?

ELO-Freak: Das liegt einfach daran, daß die ELO-Zahlen der neuen Spieler gar nicht oder völlig falsch eingeschätzt worden sind. Ist ja auch nicht ganz einfach.

Schächer: Ist diese Vermischung zweier Methoden nicht ein wenig willkürlich?

ELO-Freak: Sicher ist dabei immer ein wenig Willkür. Aber was soll ein ELO-Sachbearbeiter für eine Zahl schätzen, wenn einem Spieler eine Elozahl von nur 1000 als Neueinstieg vorgegeben ist, der Spieler bei einem Elodurchschnitt seiner Gegner von über 1400 in 10 Partien 65% macht? Die Fortschrittsrechnung bringt gerademal schlappe 1165 ELO, die Leistung des Spielers war aber 1550 ELO. Punkte wert? Die runden 1430 , die er auf Grund der Mischung beider Verfahren dann bekommt, sind wohl allemal gerecht oder?

Schächer: Ich danke Dir für die Aufklärung. Vielleicht denke ich mir noch mehr Fragen aus?

ELO-Freak: Tu, das! Bis bald!

 

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