Eindrücke von "Trentino '99" - Ein Bericht von Stefan Feick
Nachdem wir (Lothar Bartels, Norbert Sprotte, Franko Mahn, Robert Schmidt und meine Wenigkeit) völlig ohne irgendwelche Staus oder Tunnelkatastrophen in Andalo angekommen waren, machten wir es uns in unserem sehr guten Hotel («Rosa Alpina») bequem. Na ja, die anderen zumindest - ich dagegen ging in die zweite Halbzeit gegen ... meinen Koffer. Ein 'seeehr' stabiles Modell, das kaum zu knacken ist - nicht mal, wenn man die Schlüssel hat, und die Zahlenschloßkombination korrekt eingestellt ist! Ein paar schmutzige Tricks später zeigte aber auch er sich meinen Duschabsichten und Wäschewechselplänen gegenüber wesentlich offener.
Erleichtert also die Anderen gesucht, die sich inzwischen schon mal zur Anmeldung aufgemacht hatten. In einem Café können wir dann alle mal in Ruhe einen Blick auf die Namen der Teilnehmer werfen. Es sind alle Sportlernamen aller Wettbewerbe in einem kleinen Taschenbuch, welches jeder bei der Registrierung bekommen hat, abgedruckt. Aha-Erlebnisse bleiben zunächst aus, aber, Moment mal, "Pohla, Pohla", überlege ich kurz, gab's da nicht mal im Panow-Angriff eine Partie Tal-Pohla (irgendsowas mit 7.cxd5 Sxd5 8.Db3 Sxc3 9.Lc4!?)? Und "Sepp, Olav", könnte ja nun doch irgenwie jener "Sepp,O." sein, dessen Namen ich (Etwa Informator? - Na, na, na, wir wollen mal nicht gleich das Schlimmste befürchten.) irgendwo ganz sicher schon mal gelesen habe (Oder vielleicht Fernschachinformator? - auch nicht richtig beruhigend.). Sören Bech Hansen hat auch schon mal ein Rundenturnier der Kategorie 4 oder 5 bei Weiße Dame Berlin mitgespielt. Nein, schachlich wird das womöglich kein Urlaub, zumal da noch andere beunruhigend lettisch und estnisch klingende Namen auftauchen. Dann fällt uns auf, daß es in einer Broschüre heißt, wir würden in Andalo spielen, in einer anderen aber das ungefähr zehn Auto-Minuten entfernte Molveno als Spielort angegeben wird. Uns allen ist damit ziemlich klar, daß die ersten Runde am nächsten Tag mindestens eine Stunde verspätet starten wird.
Einerlei, jetzt wird erstmal der Ort erkundet, der nur aus Hotels zu bestehen scheint. Es ist ja alles nett anzusehen, aber bei solchen Monokulturen habe ich auch immer ein wenig Bedenken. Andererseits gibt's diese prachtvolle Umgebung eben auch her, sich stark auf den Tourismus zu verlassen - ein Paradies für Wanderer! Die Bergseen sind zwar (noch?) eiskalt, aber diese Granitblöcke, die sich vor einem auftürmen, mal mehr bewaldet, mal weniger, zusammen mit dem Spiel der Wolken ergeben wirklich eine erhabene Szenerie.
Die Sportanlagen in Andalo sind, nach dem was ich beurteilen kann, sehr gut. Die Tischtennisspieler haben zwar für ausgesprochene Defensivspieler denn doch zu kleine Spielboxen - zumindest in den Vorrunden - aber das Material («Joola») ist erstklassig. Unterwegs treffen wir auf Schachfreunde von der BSG BEWAG, die uns aufklären, daß in Molveno gespielt werden wird, und eine Nachfrage im Organisationszentrum bestätigt dies.
Am nächsten Tag beginnt das Turnier ... eine Stunde verspätet! Die neun Runden Halbstundenpartien werden auch nicht an drei, sondern nur an zwei Tagen gespielt. Den Samstag haben wir also zur freien Verfügung - auch nicht schlecht. Der Ablauf des Turniers erweist sich dann als reibungslos. Schiedsrichter Robert Belfiore hat, worüber er sich selbst am meisten freut, "keine Arbeit", es gibt keine Streitfälle, er hat alles im Griff. Eine 35- minütige Verspätung der öffentlichen Buslinie trägt, so hörte ich's, ein paar Berlinern am zweiten Tage ein Null in der Tabelle ein - das war's auch schon an "Zwischenfällen". Das Computerprogramm zur Ermittelung der Paarungen sorgt für etwas ungewöhnliche Farbabfolgen - ich starte mit zwei Weiß-Partien, auf die zwei Schwarz-Partien folgen -, aber am Ende geht die Verteilung (bei mir zumindest) auf.
Bei diesem Turnier ist "ich habe gerade gegen Olav Sepp gespielt" eine absolut eindeutige Aussage: Der dreißigjährige Este beherrscht das Feld nach Belieben und schafft, was bei neun Runden selbst bei solcher Überlegenheit eigentlich nie gelingt: Er gewinnt alle seine Partien! Mit mir z.B. ist er in der sechsten Runde so umgesprungen:
Sepp,O. - Feick,S. [B20]
Eurofestival Trentino 1999 Molveno (6), 30 Minuten, 11.06.1999
1.e4 c5 2.d3 [clever] Sc6 3.g3 g6 4.Lg2 Lg7 5.f4 e6 [am Brett glaubte ich, hier eine Ungenauigkeit begangen zu haben, weil sich gegen allfällige c3-Systeme e7-e5 ganz gut spielt, aber im Nachhinein wurde mir klar, daß dem Schwarzen die unverbindlichen Züge in jedem Falle zuerst ausgehen.] 6.Sf3 Sge7 7.c3 0-0 8.Le3 b6?! 9.0-0 d5?! 10.Lf2! La6 11.e5 c4 [Es war mir hier schon klar daß Schwarz zu langsam sein wird, aber 11...d4 12.c4 (Punkt e4) konnte mir natürlich auch nicht gefallen.] 12.d4 b5 13.g4 b4 14.Sh4 Da5 15.Dc2 Tfb8 16.Sd2 Tb6 17.f5 gxf5 18.gxf5 exf5 19.Le1! bxc3 20.bxc3 Lc8 21.Sdf3 Tab8 22.Sg5! Tb2 23.Dd1 h6 24.Sh3 Db6 25.Kh1 Tb1?! [nicht, daß ich eine Idee gehabt hätte...] 26.Txb1 Dxb1 27.Df3 De4? [...ich fürchte, ich hatte immer noch keine...] 28.Df2 Db1 [...und das kommentiert sich selbst] 29.Sf4 Le6 30.Sh5 Sg6 31.Sxg6 fxg6 32.Sf4 Kf7 33.Sxd5 Tb2 34.Dg3 Dxa2 35.Sf4 Se7 36.d5 Sxd5 ["hofft" auf 37.Sxd5? Txg2, aber mein Gegner griff zu seiner Dame, deshalb schnell] 1-0
Später, nach der letzten Runde sah ich ihn dann kurz an, schüttelte den Kopf und meinte nur "unbelievable", was er sympatisch mit einem verlegenen Lächeln quittierte. Harry Pohla übrigens hat vier- oder fünfmal gegen Michael Tal gespielt ("...he was actually a good friend mine..." "...well, most of the time he won, of course...") und auch gegen David Bronstein. Schön sich mit so jemanden einmal, wenn auch nur kurz, unterhalten zu können!
Die vielen Sportveranstaltungen geben dem Festival schon ein besonderes Flair. So können Franko, Robert und ich am Samstagvormittag während einer Bergwanderung die Entscheidung bei den Radfahrern am Wegesrand mitverfolgen. Die waren sicher überrascht mitten im Wald von so 'nem Dreiergrüppchen in allerlei Sprachen angefeuert zu werden! Am Nachmittag fahren Norbert, Lothar und ich nach Trient. Wir kommen dabei an Weinbaugebieten vorbei und einer Art Industriemesse in einer Zeltstadt auf der grünen Wiese. Der Trentino als Ganzes ist vielleicht also nicht gar so tourismusabhängig, wie es in Andalo schien. Das hochinteressante (ehrlich!) Museo degli Usi e Costumi della Gente Trentina in San Michele all' Adige wird von uns nur so durchgehechelt, aber erstens bin ich an diesem Tage - bar jeder Sehhilfe - eh halbblind und dann ist da auch noch unser Van, der wohl im Parkverbot...(Nein, wir haben kein 'Ticket' bekommen!). Am Abend bildet dann ein wunderschön anzusehendes Feuerwerk den offiziellen Abschluß der rundherum gelungenen Veranstaltung.
Noch ein Tip am Schluß: Wann immer auf einer italienischen Speisekarte ein Wort auftaucht, das sich in keinem Sprachführer findet - es ist 'ne Art Nudeln, bestimmt.
Stefan Feick
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